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Immer im Sinne der Tiere? Erfahrungsbericht über Pferdeaktion Lichtenfelde/Landkreis Stendal vom 24.5.2017

31.05.2017

Am 24.5.2017 erfolgte in Lichtenfelde im Landkreis Stendal eine Versteigerung von Pferden.  Die 71 Pferde, die einem privaten Halter wegen mangelhafter Fürsorge im Dezember 2016 entzogen wurden, sollten einen neuen Besitzer finden.

Grundsätzlich hat man als Tierschützer natürlich ein ungutes Gefühl wenn Tiere versteigert werden, denn logischer Weise bekommt dann der das Tier zugesprochen, der das meiste zahlt und nicht der, der das optimale zu Hause bietet (das Eine schließt das Andere natürlich nicht aus). Nachdem wir dort angekommen waren, sahen wir eine große Menge von Fahrzeugen mit Pferdeanhängern und waren optimistisch das dort viele Pferdefreunde gekommen waren, um mit zu steigern. Die Realität sah jedoch leider anders aus. Schnell kristallisierte sich heraus, dass einige Händler vor Ort waren (nach unserer Info aus Deutschland, Holland und Polen), die gut organisiert und sehr professionell immer in der Nähe des Auktionators positioniert standen. Resultat der Auktion - in über 80 % der Fälle haben sie die privaten Käufer überboten und es wurden teilweise überzogene Preise gezahlt. Dadurch entstand immer mehr Unmut bei den Bietern  und bei uns Tierschützern, zugleich auch Ratlosigkeit und Resignation. An Hand des Kataloges, in dem man die Tiere vorher betrachten konnte, hatten wir uns einige Pferde herausgesucht, die vom Alter und Gesundheitszustand eigentlich nur was für Liebhaber waren, die entsprechend Geld und den Platz hätten, um ihnen einen schönen Lebensabend zu bescheren.

Eines dieser Pferde  war ein ca. 16 Jahre alter Wallach, der auf einem Auge erblindet war. Eine Pferdefreundin stand vor der Box und war bereit ihn zu ersteigern um ihm ein pferdegerechtes zu Hause zu ermöglichen. Gemeinsam mit einigen anderen Tierfreunden, die auf keinen Fall wollten, dass der nette Braune in eine ungewisse Zukunft nach Holland reisen muss, bot die Dame bis 1700 Euro. Völlig entsetzt und unter Tränen ist sie bei den weiteren Geboten ausgestiegen. Der „nette Holländer“ der den Zuschlag bekam schenkte Ihr nur ein süffisantes Lächeln und zog zur nächsten Box.

Als kleine Anmerkung: der Händler ist mittlerweile bereit, seine Fehlkäufe von Lichterfelde wieder gegen einen Aufpreis versteht sich, an die sentimentalen Tierschützer zu verkaufen. Nun darf der Wallach nach 10 Tagen in einer holländischen Verkaufsbox mit 4 weiteren Pferden, die das große Glück hatten, noch einen Pferdefreund mit dem nötigen Kleingeld zu finden, wieder zurück in Heimatnähe. Die Dame die ihn nun sozusagen freikauft und zurückholt stand bei der Versteigerung völlig fassungslos vor diesem Szenario und hatte nicht vor an diesem Tag ihr kleine Herde zu vergrößern, aber glücklicher Weise die Möglichkeit.

Die Stimmung unter den Interessenten, Tierschützern und Schaulustigen kippte immer mehr, einige verließen kopfschüttelt und frustriert die Veranstaltung. Einigen Mitstreitern standen Tränen in  den Augen und viele Anwesende äußerten  lautstark   ihren Unmut, was sich im Laufe der Versteigerung immer mehr verstärkte. Es ist zu bemerken, dass nicht alles  verrückte Pferdefreunde oder Tierschützer waren, sondern viele waren ganz normale Bürger (Bauern, Reiterhofbesitzer, Menschen aus der Region usw.).  Nun traten die ersten Pferdefreunde an uns heran und baten uns und die anderen Organisationen, um Himmels Willen zu verhindern, dass die Fuchsstute mit der Nr. 101  von einem Händler ersteigert wird. Bei einem Blick in die Box war für jeden unschwer erkennbar , das die Stute vor Schmerzen in den Beinen nicht wusste wohin. Natürlich waren auch viele in Aufregung beim Anblick der 22 jährigen Kaltblutstute Briska die sehr abgemagert und apathisch in der Box stand und deutlich schlechter als auf dem Foto im Katalog aussah. Für uns stand nun fest, wie so oft im Tierschutz, das wir nicht allen Tieren helfen können, aber doch wenigstens den Ärmsten. In der Box der beiden Pferde hatten sich einige Freunde versammelt und im Gespräch erfuhren wir, dass es für die alte Briska ernsthafte Interessenten gab, die Ihr das Gnadenbrot geben wollten. Daraufhin entschieden wir uns, für die unter Schmerzen leidende Fuchstute zu bieten und bekamen von einigen Pferdefreunden Geld dazu ( auf diesem Wege ein herzliches Dankeschön an alle die uns vor Ort mit einer Spende unterstützt haben und damit den Kauf erst ermöglichten). Die Versteigerung von Briska begann, wir standen etwas weiter hinten. Wie schon so oft bot der Holländer gegen die Pferdefreundin, der Unmut im Publikum wurde immer lauter, schließlich gab die Frau auf und alle Blicke waren auf uns gerichtet. Für mich gab es nur einen Gedanken, das Tier muss gerettet werden, ich überbot und bekam schließlich bei 1300 Euro den Zuschlag. Den lauten Applaus und das Jubeln der Zuschauer bekam ich nur am Rande mit. Wir befanden uns mittlerweile emotional in einem Ausnahmezustand und die Zeit drängte. Wir mussten uns irgendwie zu der Fuchstute durchkämpfen, die als übernächste dran war. Das Szenario begann aufs Neue. Und so ersteigerten wir Eraferra für unglaubliche 1400 Euro und alle ringsherum waren erleichtert. Es gab natürlich vereinzelt auch Stimmen die uns gleichweg für verrückt hielten und die berühmte Handbewegung zum Kopf vollführten, aber damit konnten und können wir auch im Nachhinein gut leben. Die Versteigerung war zu Ende, viele Menschen gingen kopfschüttelt und frustriert von dannen und wir hatten 2 alte, kranke Pferde.

Nachdem wir die Beiden bezahlt hatten wurden sie mit Unterstützung der Mitarbeiter des Landkreises verladen. Nebenbei  hörten wir Zurufe „ach die Alte mit dem Hüftschaden oder, ach unsere alte Mutti“. Die Stuten hatten Mühe ihre alten Knochen auf den Hänger zu bekommen, wen mag es verwundern, nach 5 Monaten Box ohne Bewegungsmöglichkeit.

Nach knapp 2 h Fahrt im Tierheim angekommen wankten die Pferde eher von Hänger als das sie liefen. Wir brachten sie erst mal in einen großen Auslauf und versorgten sie mit Heu und Wasser. Nach kurzer Beobachtung war klar mit der Kaltblutstute stimmt etwas nicht. Sie stieß überall gegen und rannte gegen den Zaun. Unsere Recherche am nächsten Tag bestätigte die Vermutung,   Briska ist blind. Im letzten Sommer wohl ist sie erblindet  und hatte sie sich seitdem stark an Ihre Tochter orientiert. Genau diesen Fakt kannte das Veterinäramt seit dem Tag der Beschlagnahmung.

Unser Fazit ist: es ist nicht zu begreifen, dass amtliche Tierärzte jemanden Pferde zu entziehen, um sie später, hier nach 5 Monaten Haft in eine unsichere Zukunft abzugeben. Hier ist das Veterinäramt in seiner Verantwortung mehr gefordert!

Es gibt verschiedene ähnliche Fälle in Deutschland wo Pferde vom Amt mit Schutzvertrag und nicht an Händlern abgegeben werden. Genug Interessenten für die Pferde hätte es unsere Auffassung nach gegeben. Natürlich wäre der Erlös des Landkreises kleiner ausgefallen aber es wäre eine richtige Entscheidung im Sinne der Tiere gewesen.  Nun werden aber viele Pferde vom Regen in die Traufe kommen und das Ein oder Andere in Italien zum nächsten Schlachter. Auch in unserem Landkreis gab es schon große Tierschutzfälle und Beschlagnahmungen. Heute wissen wir um so mehr zu schätzen, dass zu keinem Zeitpunkt eine Versteigerung im Raum stand sondern die Tiere nach Freigabe vermittelt wurden und somit die ganze Aktion auch einen Sinn hatte.

Unsere beiden Mädels haben sich mittlerweile erholt, werden etwas mobiler, unsere Briska nimmt zu und die Fuchstute hat auf Grund dosierter Bewegung und etwas medizinischer Unterstützung schon deutlich weniger Schmerzen in ihren alten Knochen. Briska orientiert sich gut an Eraffera und kommt immer besser zurecht. Es gab die erste Wurmkur, die Termine für den Schmied und gründliche Tierarztuntersuchung mit Zahnbehandlung stehen. Sie dürfen nun stundenweise auf die Weide und wir haben das Gefühl, das langsam Lebensfreude und Qualität zurück kommen. Wie lange das so ist, wird die Zeit bringen. Zum guten Tierschutz gehört natürlich auch wenn die Lebensqualität ab und die Schmerzen zu nehmen, ein Tier über die Regenbogenbrücke zu schicken. Aber daran wollen wir jetzt erst ein Mal nicht denken sonder freuen uns täglich an  unseren beiden alten Ladys und sind froh so gehandelt zu haben.

 

Wir suchen jetzt Paten für Briska und Era, denn wir haben beschlossen, die beiden weder zu trennen noch irgendwohin zu transportieren. Sie sollen ihren Lebensabend bei uns verbringen.

 

Bild zur Meldung: Pferd

Fotoserien


Katalogfotos vom Dez. 2016 und Fotos 25.5.2017 (31.05.2017)